Ich habe kürzlich eine interessante Email von einem Freund erhalten, welchen ich die letzten Wochen immer wieder telefonisch begleitete, da sehr unsicher war, wie denn nun seine Abteilung neu strukturiert werden würde und was dann mit ihm und seinen Kollegen passieren würde. Das Management kommunizierte nichts – keinen Status Quo, keine Optionen, nicht einmal die Tatsache, dass man keinen Plan hatte. Eine Durststrecke der Sinnlosigkeiten stand ihm bevor. Er musste das irgendwie aushalten. Die ganze Stimmung war von Unsicherheit geprägt. Viele seiner Kollegen verfielen in Totenstarre und arbeiteten erst mal weitaus weniger, andere wiederum schrieben bereits Bewerbungen, um den Unsicherheiten und der Ungewissheit, was denn da kommen mag entgegen zu wirken. Zumindest konnte man so irgendetwas tun, was für einen persönlich Sinn macht. Gestern dann die erlösende Botschaft (Zitat aus der Email):

„Hallo Susanne,

Wir konnten heute dem Telefonbuch entnehmen, dass mein Chef künftig nicht mehr Chef ist.

Einer meiner Kollegen hat aus dem Telefonbuch erfahren, dass er jetzt in eine komplett neue Einheit eingegliedert wird. Nett, oder? […]“

Management by helicopter war gestern: über allem schweben, rein fliegen, Staub aufwirbeln, wieder abheben. Heute heißt es: Management by phone book. Da hat die IT die neuen Hierarchien und Verantwortlichkeiten bereits im Intranet und Telefonbuch geändert und den Betroffenen wird nichts davon erzählt. In diesem Falle erfahren Mitarbeiter nach langer Zeit der Unsicherheit aus dem internen Telefonbuch, wer nun ihr Chef sei und wer zu welcher Abteilung gehört.

Zwei Tage später folgte dann doch noch ein offizielles Kommunikationsmeeting für den ganzen Unternehmensbereich. Das hätte man sich aber schenken und die Zeit effizienter nutzen können, denn bis zu diesem Zeitpunkt wusste sowieso jeder schon die Neuerungen aus dem Telefonbuch – und das Vertrauen in den Arbeitgeber war endgültig zerstört.

In meinem Buch „Sinnkrieger“ widme ich ein Kapitel der These: Sinn ist zeitverzögert. Das heißt, meist erkennt man den Sinn hinter einer Sache erst sehr viel später, man muss nur daran glauben. Traurig aber wahr: Sinn kann man in einer solchen Kultur selten finden, auch nicht verspätet, und auch wenn dann doch noch die nette und wertschätzende Erklärung geliefert wird. Fehlt Vertrauen, Offenheit und Transparenz kann Sinn auch nicht zeitverzögert gefunden werden. Wenn Vertrauen erst einmal zerstört ist, dann sitzt der Schmerz tief und Mitarbeiter gehen in die Defensive, wählen den Notausgang aus dem Unternehmen oder die Tür ins Schmarotzerkönigreich, in dem das erste Gebot lautet: Nutze deinen Arbeitgeber aus!