Früher in meinem Angestelltenverhältnis habe ich Routinen gehasst. Ich habe sie abgelehnt, ja vielleicht hatte ich sogar etwas Angst vor ihnen. Ich habe zu viele Kollegen beobachtet, die blind für Entwicklungspotenziale waren. Die krampfhaft an alten Routinen festhielten und sich selbst und auch dem Unternehmen im Weg standen. Anstatt Altes loszulassen optimierten sie ihre Mittagspause und die damit zusammenhängende Zeiterfassung. Dem Unternehmen hat das so gar nichts gebracht. Und für mich hat es einfach keinen Sinn gemacht.

Als ich Mama wurde hat sich mein Verhältnis zu Routinen verändert. Inzwischen schätze ich sie sehr. Sie erleichtern mir den Alltag immens. Ich spare dadurch Energie, Abläufe werden effizienter und das Leben für uns als Familie schlichtweg einfacher. Und ich hatte als Mutter noch nie das Gefühl, dass unsere Routinen uns lähmen würden. Warum? Weil wenn eine Routine etabliert, dann schleicht sich schon die nächste Veränderung ein und Routinen müssen neu etabliert werden.

Ganz aktuell: Meine älteste Tochter ist seit einer Woche in der Schule. Wir haben alle neue Rollen bekommen und dürfen uns in eine neues System integrieren. Abgesehen von der emotionalen Anstrengung ist mir aufgefallen wie sehr mir nun die Routine fehlt: Wir dürfen einen neuen morgendlichen Ablauf etablieren. Ich muss nun Pausenbrote schmieren. Ich darf die jüngere Tochter mit integrieren und „verplanen“ so dass wir pünktlich zur Schule kommen. Und dann ist da noch der Schulweg, der auch neu ist für uns… Klingt alles nicht dramatisch. Ist aber anstrengend.

Ich kam nun an der Frage vorbei, ob Routinen nun ein Fluch – so wie ich es früher empfunden habe – sind oder ob Routinen doch Segen sind. Und ich kam zum dem Entschluss: Es ist beides. Es ist Fluch, wenn wir zu lange in Routinen verweilen, weil wir dann faul, blind und träge werden. Es ist aber auch dann ein Segen, wenn wir neue Routinen etabliert haben und dadurch schlichtweg effizienter sind.

Die Kompetenz, die wir als Eltern mit unseren Kindern lernen dürfen ist, dass Routinen nicht für die Ewigkeit bestimmt sind. Dass Routinen kommen und auch wieder gehen. Dass wir sie loslassen müssen, damit Entwicklung stattfinden kann. Kinder sind noch so klar in ihrem Wesenskern, so tief verbunden mit ihrem Herzen und dem Leben, dass ich inzwischen das Vertrauen gewonnen habe, das Routinen im Kinderalltag nicht lähmen können. Und das ist es was ich von meinen Kindern lerne: Wieder in die Verbundenheit mit Leben zu kommen, mit dem Leben mitzugehen, statt an alten Routinen festzuhalten und dadurch Entwicklung zu fördern.